Jedes Jahr am ersten September-Wochenende findet eine zweitägige Wanderung statt, die von einem Team ausgeheckt, rekognosziert und geleitet wird. Für dieses Jahr wurde eine echte Bergtour geplant, wollten die Turnerinnen doch in der SAC-Hütte am Kärpf im Glarnerland übernachten: in der Leglerhütte auf 2273 m.ü.M.
Bereits in der Woche davor meldete der Wetterbericht einen extremen Temperatursturz, den man in Badehose am See oder an der Limmat noch nicht so recht glauben wollte. Als dann sogar Schnee unter 2000 m prognostiziert wurde, runzelten die angemeldeten Frauen der Damen- und Frauenriege des Turnverein Höngg langsam die Stirn. Die Badehose für den Garichti-Stausee auf der Mettmenalp würde sich nicht lohnen einzupacken!
Am Freitag kam die Meldung der Hauptverantwortlichen Marta Knecht, dass nur die kurze Wandervariante ausgeführt werde, da ein Dauerregen auf dem Meteobildschirm zu erkennen war. Die lange Wanderung würde sich nicht lohnen – ein weiser Entscheid. Am Samstagmorgen trafen sich 19 wandertüchtige Frauen am Hauptbahnhof in aller Morgenfrühe: Ausgerüstet mit Pelerine, Regenhose, Schirm und wasserdichter Kopfbedeckung. Die Reise führte über Ziegelbrücke ins Glarnerland nach Schwanden, wobei wegen Geleisearbeiten ein Ersatzbus eingesetzt worden war. Oberhalb Schwanden überwand eine kleine Gondelbahn für die Wandergruppe den Höhenunterschied bis 1600 m.ü.M. Im neu erbauten Hotel auf der Mettmenalp genossen die Turnerinnen ein warmes Getränk und Gipfeli, bevor alle sich in wasserdichte Überkleider stürzten.
Dann ging die Wanderung los: Es regnete und bald mischten sich immer mehr Schneeflocken in den Niederschlag. Da von der Umgebung kaum etwas zu sehen war, plauderten die Frauen beim Marschieren. An ein Picknick war nicht zu denken und nach kurzer Trinkpause bei der Niderenalp begann der Weg steiler und schmaler zu werden. Was hat das zu bedeuten, wenn plötzlich eine riesige Rinderherde mit lautem Glockengeläut bergabwärts rennt? Weit und breit kein Hirte. Es war bereits ein Fliehen vor der sich ausbreitenden Schneedecke. Und wirklich: Der flockig fallende Schnee setzte an auf dem Grund und verdeckte auch die weiss-rot-weissen Wegmarkierungen. Nur 5 Meter hohe Stangen in weiten Abständen zeigten die Richtung an. Die Wanderwege waren zu Bächlein geworden. Glücklicherweise waren die Schuhe wasserdicht und das gute Profil hielt im Pulverschnee.
Fast 700 Höhenmeter mussten überwunden werden, bis endlich nach über drei Stunden die Leglerhütte plötzlich auftauchte. Eine neue, funktional perfekt eingerichtete Hütte empfing die sichtlich erleichterte Gruppe mit Wärme und Gastlichkeit. Trocken gekleidet verbrachten die Frauen schwatzend und spielend den Rest des Tages im Aufenthaltsraum, hin und wieder bangend, ob wohl der Schneefall endlich aufhöre. Eiszapfen am Dachkennel und Schneekristalle an den Fenstern erinnerten an den bevorstehenden Winter.
Am andern Morgen waren keine Fussspuren vom Vortag mehr zu erkennen und die Hönggerinnen waren froh, dass die Hüttenwartin den Rückweg vorspurte. 35 cm Schnee mussten durchstapft werden und es waren kaum Unebenheiten auszumachen. Vorsicht beim Gehen war angesagt. Rutschen konnte gefährlich werden. Sichtlich erleichtert waren alle, als man zurück auf der Mettmenalp ankam und sich an Zigerhörnli oder Glarner Schüblig gütlich tun konnte. Der Abstieg hatte viel Konzentration gefordert.
Unterdessen hatte sich der Wolkenhimmel gelichtet und die Sonne zeigte die felsige, steile Glarner Alpenwelt, verzuckert mit Schneekappen. Zufrieden kehrten die Höngger Frauen am Sonntagabend heim, glücklich, unfallfrei die Strapazen der nicht erwarteten Schneewanderung geschafft zu haben.
Vreni Noli-Aisslinger